Wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in Tateinheit mit Verleumdung kann sich auch strafbar machen, wer nicht ausdrücklich den Holocaust als systematische Vernichtung jüdischen Lebens durch das nationalsozialistische Regime leugnet. Es reicht aus, wenn durch Auslegung ein entsprechender eindeutiger Erklärungsinhalt ermittelt werden kann.

Der Angeklagte begründete in seiner Funktion als Vorsitzender der Fraktion der X. im Landtag in Schwerin einen Antrag seiner Fraktion zum Gedenken an die Opfer eines Seeunglücks wie folgt: „(…) Seit Beginn der Geschichtsschreibung und sicherlich auch schon weit vorher kam und kommt es bedauerlicherweise immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Völkern, Nationen oder weltanschaulichen Gruppierungen. Das Abschlachten der Indianervölker im Namen der Demokratie, (…) oder das Abschlachten der Palästinenser durch die Israelis zeigen uns, dass sich offensichtlich nur die Begründung für brutales Vorgehen verändert hat. Ein Mittel, zukünftigen Massenmord zu verhindern zu suchen, ist, der Opfer zu gedenken.

Gestern hatten Sie ja offensichtlich die Gelegenheit genutzt und haben der Opfer, so wie Sie es nennen, nationalsozialistischer Gewaltherrschaft gedacht. Das kann man tun, aber neben diesen beklagenswerten Opfern gab es auch deutsche Opfer und wenn es auch deutsche Opfer gab, dann gab es auch Täter, deren unbändiger Hass gegen alles Deutsche zu Maßnahmen führte, die man nur mit Völkermord am deutschen Volk bezeichnen kann (…). Ich zitiere: ‚Unsere jüdischen Interessen erfordern die endgültige Vernichtung Deutschlands, das deutsche Volk samt und sonders ist eine große Gefahr für uns (…)’. Damit soll meinerseits nicht der Versuch unternommen werden zu relativieren, sondern schon diese wenigen Aussagen zeigen deutlich, dass Ihr einseitiger Schuldkult längst die Musik von gestern ist. Ihre Schuldkultveranstaltungen interessieren (…) einen feuchten Dreck. Bis auf die von Ihnen gekauften Grüppchen und Gruppierungen nimmt kaum noch jemand wirklich innerlich bewegt Anteil an Ihrem Betroffenheitstheater (…), weil die Menschen spüren, dass der sogenannte Holocaust politischen und kommerziellen Zwecken dienbar gemacht wird (…) Die Deutschen sind seit Ende des Zweiten Weltkriegs einem ununterbrochenen Trommelfeuer von Vorwürfen und Propagandalügen ausgesetzt (…). Auch was Sie gestern hier im Schloss wieder veranstaltet haben, war nichts anderes, als dem deutschen Volk ebenso raffiniert wie brutal Ihre Auschwitzprojektionen überzustülpen. Sie, meine Damen und Herren, hoffen auf den Sieg der Lüge über die Wahrheit (…)“.

Im Anschluss an die Rede des Angeklagten sprach das MdL Dr. N., der u.a. ausführte: ‚Er (Adolf Hitler) sah sich also als Vollstrecker einer historischen Mission der Deutschen, die im Wesentlichen aus folgenden Zielen bestand: 1. (…) 3. Vernichtung des jüdischen Bolschewismus.’ Daraufhin äußerte der Angeklagte sich wie folgt: „Das war eine gute Idee, das Letzte.“

Nach Auffassung des AG hat sich der Angeklagte des Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener in Tateinheit mit Verleumdung gemäß §§ 187, 189, 52 StGB schuldig gemacht. Beim Straftatbestand der Verleumdung gehören die jüdischen Staatsbürger der BRD als Kollektiv zum Kreis der geschützten Rechtsgutträger (BGH, NJW 1980, 45). Der Angeklagte hat den Holocaust als systematische Vernichtung jüdischen Lebens durch das nationalsozialistische Regime geleugnet. Dass er dies nicht ausdrücklich getan hatte, steht der Erfüllung des Straftatbestandes nicht entgegen. Es reicht insoweit aus, wenn durch Auslegung der Äußerung ein eindeutiger Erklärungsinhalt dahingehend ermittelt werden kann, dass der Holocaust entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in der als geschichtliche Tatsache anerkannten Art und Weise stattgefunden hat. Dies ist hier der Fall.

Für die rechtliche Würdigung der Äußerung kommt es auch mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG auf den inhaltlichen Gesamtaussagewert der Äußerung an. Dieser ist aus Sicht eines verständigen Zuhörers durch genaue Textanalyse unter Berücksichtigung der Begleitumstände zu ermitteln (BVerfGE 42, 43, 45 ff.). Das Gericht hat den objektiven Sinn der Äußerung dahingehend gedeutet, dass der mehrfache Vorwurf der Lüge im Zusammenhang mit dem Begriff „Auschwitzprojektion“ nur als Leugnen des Holocaust verstanden werden könne. Obwohl die Gestaltung der Rede dazu Veranlassung gegeben hatte, gestand der Angeklagte an keiner Stelle den Holocaust ausdrücklich zu. Das Schweigen insoweit war beredt. Auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen waren erfüllt. Insbesondere lag auch keine Rechtfertigung in Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG vor, obgleich dessen Schutzbereich eröffnet war. Da der Angeklagte die Schranken des § 187 StGB überschritten hatte, greift zudem auch der ihm aus der Landesverfassung als Mitglied des Landesparlaments grundsätzlich zustehende Indemnitätsschutz nicht.

2. Durch die Leugnung des Holocaust hat der Angeklagte auch den Tatbestand der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gemäß § 189 StGB erfüllt. Auch hier kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Verunglimpfung unter einer Kollektivbezeichnung erfolgen (BGH, NJW 1980, 45).

AG Schwerin, Urteil vom 16.08.2012 – 38 Ls 322/11

(Quelle: beck-fachdienst Strafrecht – FD-StrafR 2012, 339014)