Vereinbaren zwei miteinander rivalisierende Gruppen, sich miteinander zu schlagen, so entfaltet eine damit verbundene Einwilligung in die eigene Körperverletzung keine rechtfertigende Wirkung. Dies hat der Bundesgerichtshof unter Verweis auf § 228 StGB entschieden. Die Taten blieben wegen des ihnen innewohnenden erheblichen Grades an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit trotz der Einwilligung sittenwidrig.

Das Landgericht Stuttgart hatte drei heranwachsende Angeklagte wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu unterschiedlichen Sanktionen des Jugendstrafrechts verurteilt. Sie hatten die Taten als Mitglieder einer Jugendgruppe begangen, die nach vorangegangenen wechselseitigen Provokationen mit Angehörigen einer weiteren Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener verabredet hatte, sich miteinander zu schlagen. Die an dieser faktisch zustande gekommenen Übereinkunft Beteiligten beider Gruppen stimmten zu, die Auseinandersetzung auch mit Faustschlägen und Fußtritten auszutragen. Den Eintritt selbst erheblicher Verletzungen billigten sie jeweils. Im Verlaufe der wechselseitigen Tätlichkeiten erlitten mehrere Angehörige der gegnerischen Gruppe nicht unerhebliche Verletzungen. So musste etwa einer der «Gegner» drei Tage stationär, davon einen Tag auf der Intensivstation, behandelt werden.

Das LG hatte die Angeklagten wegen der von ihnen begangenen oder als Mittäter der übrigen Gruppenmitglieder zu verantwortenden Körperverletzungen verurteilt. Die von den später Verletzten aus der gegnerischen Gruppe erteilten Einwilligungen in die Schläge und Tritte hatte es nicht als Rechtfertigung zugunsten der Angeklagten gewertet. Nach Auffassung des Tatgerichts verstießen die Körperverletzungen trotz dieser Einwilligungen im Sinne von § 228 StGB gegen die «guten Sitten». Mit ihren Revisionen haben sich die Angeklagten unter anderem gegen diese rechtliche Bewertung gewandt. Der Erste Strafsenat des BGH hat die Rechtsmittel jedoch verworfen und im Ergebnis die Rechtsauffassung des LG bestätigt.

Die Rechtsprechung des BGH habe bislang bereits Einwilligungen von späteren Opfern von Körperverletzungen keine rechtfertigende Wirkung beigemessen, wenn die Taten mit einer konkreten Gefahr des Todes für die Opfer verbunden sind. Nunmehr hat der Erste Strafsenat deutlich gemacht, dass jedenfalls bei verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen Gruppen § 228 StGB die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung zu eigenen Verletzungen regelmäßig ausschließt. Denn die typischerweise eintretenden gruppendynamischen Prozesse seien generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden, dass die Grenze der «Sittenwidrigkeit» der Taten überschritten ist.

Nach Einschätzung des BGH wird die Entscheidung seines Ersten Strafsenats – auch wenn darüber nicht unmittelbar zu entscheiden gewesen sei – Auswirkungen auf die strafrechtliche Bewertung verabredeter Schlägereien zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen haben. Selbst wenn solche körperlichen Auseinandersetzungen auf getroffenen Abreden über die Art des «Kampfes» beruhten, würden sich die Taten wegen der typischen Eskalationsgefahren trotz der Einwilligungen sämtlicher Beteiligungen als Verstoß gegen die «guten Sitten» erweisen.

Dagegen seien mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbundene Sportwettkämpfe auch bei Austragung durch Mannschaften nicht betroffen. Das vorhandene Regelwerk der Sportarten, dessen Einhaltung regelmäßig durch eine neutrale Instanz kontrolliert wird, begrenze üblicherweise den für die Beteiligten vorhandenen Gefährdungsgrad. Wie schon bisher seien strafbare Körperverletzungen hier erst dann gegeben, wenn diese aus grob regelwidrigem Verhalten hervorgingen.

BGH, Beschluss vom 20.03.2013 – 1 StR 585/12

(Quelle: Beck online)