Viele Fahrer eines Skandal-Diesels von VW können im Streit um Schadenersatz auf Rückendeckung der Richter aus Karlsruhe hoffen. In einer ersten, wenn zunächst auch nur vorläufigen Einschätzung stellte sich der Bundesgerichtshof am 05.05.2020 weitgehend auf die Seite der Kunden, die das Geld für ihr Fahrzeug zurückhaben wollen, weil darin eine illegale Technik zum Einsatz kam. Nach Auffassung der Richter dürfte ihnen schon mit dem Kauf ein Schaden entstanden sein, den VW ersetzen müsste – allerdings mit Abzug einer Nutzungsentschädigung für die Zeit, in der sie mit dem Wagen gefahren sind.

Erster Diesel-Fall vor dem BGH

Der 6. Zivilsenat des BGH hatte am 05.05.2020 erstmals überhaupt eine sogenannte Dieselklage gegen VW verhandelt. Mit der vorläufigen Einschätzung machen die Richter deutlich, wie sie den Fall sehen und welche Punkte aus ihrer Sicht relevant sind. Ein Urteil wollen sie am 25.05.2020 um 11.00 Uhr verkünden.

Kläger kaufte VW Sharan mit Abschaltautomatik

Im Januar 2014 kaufte der Kläger bei einem freien Händler einen gebrauchten VW Sharan 2.0 TDI match  für 31.490 Euro brutto. das Fahrzeug war mit einem Diesel-Motor vom Typ EA 189 ausgestattet, welcher bekannterweise eine unzulässige Abschaltvorrichtung besitzt. Der Kläger klagt gegen VW und will sein Fahrzeug zurückgeben. 

Vorinstanzen waren sich nicht einig

Das Landgericht Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz wies die Klage im Oktober 2018 ab. Das Oberlandesgericht Koblenz als nächsthöhere Instanz entschied im Juni 2019 anders: VW schulde dem Käufer Schadenersatz, müsse das Fahrzeug zurücknehmen und 25.616,10 Euro nebst Zinsen zurückzahlen. Dabei handelt es sich um den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung.

OLG hatte vorsätzliche sittenwidrige Schädigung bejaht

Auch das OLG Koblenz gab ihm recht und sah im Verhalten von VW eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Der Autobauer habe Behörden, Wettbewerber und Verbraucher zur Maximierung seines Profits systematisch getäuscht. Und statt eines uneingeschränkt zugelassenen Fahrzeugs habe der Käufer ein Auto bekommen, das von Betriebsuntersagung und Stilllegung bedroht sei.

BGH: Schaden schon durch Vertragsschluss

Die BGH-Richter formulierten es in der Verhandlung zwar zurückhaltender, schlossen sich der Bewertung des Falls aber weitgehend an. Aus ihrer vorläufigen Sicht dürfte schon durch den ungewollten Vertragsschluss – also den Kauf des Autos ohne Kenntnis der Abgas-Trickserei – ein Schaden entstanden sein. Ob das Auto voll nutzbar war oder nicht, habe letztlich vom Zufall abgehangen – nämlich davon, ob und wann die illegale Software-Funktion entdeckt wird und welche Folgen das hat.

Erstes wegweisendes Urteil wird erwartet

Mit ihren Urteilen geben die obersten deutschen Zivilrichter in aller Regel die Linie vor, an der sich untere Instanzen orientieren. Gerade im Dieselskandal kann von einheitlichen Entscheidungen bisher keine Rede sein. Selbst die Frage, ob VW seinen Kunden gegenüber wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung überhaupt zu Schadenersatz verpflichtet ist, wird bisher sehr unterschiedlich gesehen. Auch der Nutzungsersatz ist ein zentraler Punkt des aktuellen Falls. Ebenso die Frage, ob Neu- und Gebrauchtwagen gleich zu behandeln sind. Daneben gibt es viele Details, deren Bedeutung der BGH wohl eher nach und nach im Zuge weiterer Verfahren klären wird: der Zeitpunkt des Kaufs vor oder nach Bekanntwerden der Manipulationen, Verjährungsfristen, Software-Update ja oder nein, die Laufleistung der Autos oder die Frage nach Zinsen auf den Kaufpreis.

Drei weitere Verfahren im Juli vor BGH

Drei weitere VW-Schadenersatz-Verfahren mit jeweils anderen Fallkonstellationen hat der BGH schon für den Juli terminiert. Zudem liegt inzwischen eine dreistellige Zahl an weiteren Verfahren – nicht nur gegen VW – beim 6. Zivilsenat. Das letzte Wort zum Dieselskandal wird daher auch beim BGH noch lange nicht gesprochen sein.