Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit März 2017 auch gegen den Autohersteller Daimler wegen möglichen Abgas-Betrugs. Mercedes soll zwischen 2008 und 2016 Motoren mit der Kennung OM 642 und OM 651 verbaut haben, die angeblich über unerlaubte Abschalteinrichtungen verfügen. Eine richtlinienkonforme Abgasmessung nach dem bis dato gesetzlich vorgeschriebenen NEFZ-Zyklus, wird durch Verwendung von solchen Abschalteinrichtungen verfälscht. Die Zulassung der betroffenen Motoren wäre somit nicht möglich gewesen. Daimler wehrt sich gegen den Vorwurf, die Abgasreinigung bei Diesel-Fahrzeugen mit illegalen Mitteln manipuliert zu haben und betont, sich an geltendes Recht gehalten zu haben. Der Streitpunkt ist – wie bei anderen Herstellern – ein sogenanntes Thermofenster, das die Abgasnachbereitung in bestimmten Temperaturbereichen herunterregelt. Wie auch andere Hersteller hatte sich Daimler mit dem KBA darauf geeinigt, bestimmte Fahrzeuge freiwillig zurückzurufen, um die Technik anzupassen und den Ausstoß schädlicher Stickoxide zu reduzieren. Die Zahl von rund 270.000 Fahrzeugen aus der Kompakt- und der V-Klasse, die bereits nachgebessert werden, wird nun auf gut drei Millionen aufgestockt. Die bayerischen Autobauer BMW und Audi hatten bereits angekündigt, zur Abwendung drohender Diesel-Fahrverbote die Hälfte ihrer in Deutschland zugelassenen Euro-5-Diesel technisch nachzurüsten.

Die BamS berichtet von geheimen US-Papieren, denen zufolge Daimler per Software den Schadstoffausstoß von Dieseln reguliert haben soll, um Abgasswerte einzuhalten. Der Hersteller verweist auf eine laufende Untersuchung.

Mindestens Eine Million Fahrzeuge betroffen

Daimler gerät einem Zeitungsbericht zufolge immer tiefer in den Sog des Diesel-Abgasskandals. So soll der Stuttgarter Autobauer in seinen Diesel-Fahrzeugen ebenfalls spezielle Software zur Schadstoffregulierung eingebaut haben, berichtete die BILD am SONNTAG am 18. Februar 2018 unter Verweis auf vertrauliche Unterlagen aus US-Ermittlungsakten. Diese sei mutmaßlich nur dazu entwickelt worden, die gängigen US-Abgastests auf dem Prüfstand zu bestehen. Hiervon sollen mindestens eine Millionen Fahrzeuge betroffen sein.

Die neuen Vorwürfe

Den Papieren zufolge sei die Funktion “Bit 15“ so programmiert, dass die Abgasnachbehandlung nach 26 Kilometern den sauberen Modus verlässt. Zudem stießen die US-Ermittler laut BamS auf eine weitere verdächtige Funktion, die im Fahrzeugkontrollsystem stecke. Dieser sogenannte Slipguard erkenne anhand von Geschwindigkeit oder Beschleunigungswerten, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand steht.

Arbeit an Software schon vor VW-Dieselskandal

Dem Zeitungsbericht zufolge würden die Dokumente ebenfalls offenbaren, dass Daimler-Mitarbeiter bereits vor der VW-Dieselaffäre daran zweifelten, US-Gesetze bei Straßentests einhalten zu können. So hätten interne Messungen ergeben, dass Mercedes-Modelle im Straßenbetrieb die Stickoxid-Grenzwerte deutlich überschritten hätten.

 Welche Modelle sind betroffen?

Im Fokus stehen Pkw aller Serien, SUV und Kleintransporter von Mercedes, in denen die Motoren mit der Kennung OM 642 und OM 651 verbaut wurden. Noch gibt es von Daimler keine offizielle Bestätigung, welche Baureihen konkret betroffen sind, jedoch wurden Motoren vom Typ OM 642 ab 2005 beispielsweise in der C-Klasse 203 verwendet.

OM 642 ist ein V6-Turbodiesel mit drei Litern Hubraum, der 2005 sowohl in der C- als auch in der E-Klasse eingeführt wurde. Doch dabei blieb es nicht. Im Laufe der Jahre gab und gibt es ihn in etwa einem Dutzend Leistungsstufen, er dient(e) in allen Baureihen oberhalb der Kompaktklasse als Antriebsquelle. In SUVs wie der M-, der R- und der GL-Klasse war der OM 642 der Standard-Diesel, auch in der luxuriösen S-Klasse und im G-Klasse-Offroader war der Motor sehr beliebt. Er steckte außerdem im GLK, in den Coupés CLK und CLS, in den Vans Vito und Viano und im Sprinter. Auch heute ist OM 642 noch präsent, nämlich in jenen Modellvarianten, die die Bezeichnung „350 d“ im Namen tragen. Das sind fast alle oberhalb der C-Klasse.

Ähnlich kompliziert ist die Lage beim OM 651, einem Vierzylinder-Turbodiesel mit entweder 1,8 oder 2,1 Litern Hubraum. Es gibt kaum eine Baureihe, in der Mercedes den Motor nicht anbietet oder zeitweise angeboten hat. Die kompakten Frontantriebsmodelle A-, B-, CLA- und GLA-Klasse sind hier ebenso betroffen wie der SLK-Roadster, die S-Klasse oder Vito, V-Klasse und Sprinter. Das Leistungsspektrum erstreckt sich von 95 bis 204 PS. Aktuell setzt Mercedes den Motor – außer in seinen Oberklasseautos – in fast allen Modellreihen ein. Obendrein kombiniert ihn die Marke in manchen Modellreihen mit E-Maschinen zu Hybridantrieben. 2005 wurde der Motor OM 642 auch in der E-Klasse der Baureihe 211 (Betroffene Modelle: E 280 CDI und E 320 CDI) eingebaut. 2010 erhielten unter anderem 350-CDI-Modelle der S-Klasse, R-Klasse und E-Klasse eine leistungsgesteigerte Variante des Motors, der die Typenkennung OM 642 LS trägt. Motoren vom Typ OM 651 fanden ab 2008 zum Beispiel in den C-Klasse-Modellen der Baureihe 204 und später 205, etwa im Mercedes-Benz C 250 CDI BlueEFFICIENCY, Verwendung. Auch Mercedes GLK und die E-Klasse Baureihe 212/207 sind betroffen. Die höchste Ausbaustufe des OM 651 wird seit 2010 in der S-Klasse angeboten, seit 2011 ebenfalls in der B-Klasse. Eine vollständige Auflistung aller betroffenen Modelle ist noch nicht verfügbar.

Frontal 21 wirft BMW und Mercedes zu hohe NOx-Werte vor

Auch der Streit zwischen dem ZDF-Magazin Frontal 21 und den deutschen Premium-Autobauern BMW und Mercedes dauert an. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob es bei den teilweise eklatanten Unterschieden zwischen Labor- und Praxis-Emissionen eine legale Grauzone gibt oder nicht. Laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ist das nicht der Fall, vielmehr ist es demnach grundsätzlich als illegal zu bewerten, wenn Grenzwerte unter realen Bedingungen um ein Vielfaches überschritten werden. Konkret geht es um die Stickoxid-Emissionen (NOx) von Diesel-Motoren, um die sich auch der Abgas-Skandal bei Volkswagen dreht. BMW und Mercedes argumentieren, dass die Maßnahmen zur Abgasreinigung beispielsweise bei niedrigen Temperaturen abgeschaltet oder reduziert werden, um den Motor zu schützen. Dies geschieht nach Ansicht von Frontal 21 allerdings bereits bei Temperaturen deutlich über dem Gefrierpunkt, was nicht der Intension des Gesetzgebers entspreche. Laut dem zitierten Bundestags-Gutachten sei das Argument des Motorschutzes nur in Ausnahmesituationen zulässig, nicht aber völlig gewöhnlichen Temperaturen.

Welche Konsequenzten drohen?

Bei Nachweis einer illegalen Abschalteinrichtung besteht die Gefahr einer Klage der US-Behörden und eventuelle Strafe für die Missachtung von US-Umweltgesetzen, sowie ein immenser Imageschaden für de Premium-Hersteller in den USA. Davon kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Rede sein. Schon im jüngsten Geschäftsbericht hatte das Unternehmen allerdings gewarnt, die bereits länger ermittelnden US-Behörden könnten die Abgaskontrollfunktionen so wie die von anderen Autobauern als illegal bewerten. Das könne erhebliche Folgen für Ertragslage und Ansehen von Daimler nach sich ziehen.

Was sagt Daimler?

Ein Daimler-Sprecher sagte am Sonntag, dass der Autobauer seit über zwei Jahren vollumfänglich mit den US-Behörden kooperiere. „Den Behörden sind die Dokumente bekannt, und es ist zu keiner Anklage gekommen.“ Zu weiteren Details der laufenden Untersuchung werde sich Daimler nicht äußern, da mit dem US-Justizministerium absolute Vertraulichkeit vereinbart worden sei. Zudem verwies der Sprecher auf den vergangene Woche veröffentlichten Geschäftsbericht, der eine „umfassende Darstellung und Erläuterung der rechtlichen Verfahren sowie deren aktuelle Einschätzung aus Sicht von Daimler“ enthält.

Zetsche:“Keine Manipulation“

Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte seit Ausbruch des Diesel-Abgasskandals bei Volkswagen vor fast zweieinhalb Jahren immer wieder betont, Fahrzeuge von Daimler würden nicht manipuliert. Die Stuttgarter gerieten im Zuge des Dieselskandals bei Volkswagen ins Visier von Ermittlern in den USA und Deutschland. Derzeit prüft das Kraftfahrtbundesamt, Daimler wegen des Verdachts einer unzulässigen Abschalteinrichtung beim Mercedes-Benz Vito eventuell zu einer Anhörung zu laden. Das telte das Bundesverkehrsministerium am 14. Februar mit.

Gibt es parallelen zum VW-Abgasskandal?

Das wird sich erst im weiteren Verlauf der Ermittlungen und Nachprüfungen herausstellen, zeichnet sich aber noch nicht ab. Die Dieselaffäre bei VW war im September 2015 von der US-Umweltbehörde EPA aufgedeckt worden. Es entwickelte sich ein Industrieskandal bislang unbekannten Ausmaßes, der Volkswagen bereits weit mehr als 20 Milliarden Euro kostete.