Ein Radfahrer, der auf einem neben einem Kreisverkehr geführten Radweg das Verkehrszeichen «Vorfahrt gewähren» zu beachten hat, ist, wenn er eine Zufahrtstraße zum Kreisverkehr queren will, gegenüber den von dort einfahrenden Autos wartepflichtig. Das gilt nach einer am 06.11.2013 veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm selbst dann, wenn die Autofahrer vor dem Radweg und dem Erreichen des Kreisverkehrs selbst das Zeichen «Vorfahrt gewähren» in Kombination mit dem Zeichen «Kreisverkehr» passieren müssen.

Die seinerzeit 67-jährige Klägerin, eine Hausfrau aus Velen, erlitt im Juni 2008 in Südlohn einen Verkehrsunfall, als sie mit ihrem Elektrofahrrad auf dem neben einem Kreisverkehr geführten Radweg die Einmündung einer Straße querte. Sie stieß im Einmündungsbereich mit dem Fahrzeug der Beklagten zusammen, die von der querenden Straße kommend in den Kreisverkehr einfahren wollte. Vor dem Queren der Straße haben Radfahrer das Verkehrszeichen «Vorfahrt gewähren» zu beachten. Die in den Kreisverkehr einfahrenden Autofahrer passieren vor dem Radweg und dem Kreisverkehr ebenfalls das Zeichen «Vorfahrt gewähren» in Kombination mit dem Zeichen «Kreisverkehr».

Die Frau verklagte die Autofahrerin auf Schadensersatz, unter anderem auf Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro. Sie war der Auffassung, die Beklagte habe ihr Vorfahrtsrecht verletzt. Das Gericht sah dies anders und wies die Klage ab. Die Klägerin treffe ein erhebliches, eine Mithaftung der Beklagten ausschließendes Eigenverschulden am Unfall. Insbesondere habe die beklagte Autofahrerin kein Vorfahrtsrecht verletzt.

Aufgrund der von ihr zu passierenden Verkehrszeichen sei die Autofahrerin lediglich gegenüber dem auf der eigentlichen Kreisbahn befindlichen Verkehr wartepflichtig gewesen und nicht auch gegenüber Radfahrern, die den neben der Kreisbahn befindlichen Radweg benutzen. Demgegenüber habe die Klägerin der Beklagten Vorfahrt gewähren müssen. Denn ihre Wartepflicht gelte nicht nur gegenüber Fahrzeugen, die vom Kreisverkehr in die Zufahrtsstraße abbiegen, sondern auch gegenüber den Fahrzeugen, die über die Zufahrtsstraße in den Kreisverkehr einfahren wollten. Nur so verstanden ergebe die vorhandene Beschilderung einen Sinn.

Hinzu komme, so das OLG weiter, dass die Klägerin über einen abgesenkten Bordstein vom Radweg auf die Fahrbahn der Zufahrtstraße gefahren sei. Nach der Straßenverkehrsordnung habe sich derjenige, der über einen abgesenkten Bordstein auf eine Fahrbahn einfahre, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Daraus folge, dass ihm insoweit auch kein Vorfahrtsrecht zustehen könne. Ihm Übrigen fehlten auf der Fahrbahn der Zufahrtstraße Markierungen für einen querenden Radweg, was ebenfalls ein Anhaltspunkt dafür sei, dass ein querender Radfahrer wartepflichtig sei.

OLG Hamm, Urteil vom 17.07.2012 – 9 U 200/11

(Quelle:Beck online)