Durch das Kfz, dessen Halter A war, wurde bei einem Spurwechsel ein anderer Pkw beschädigt, ohne dass der Fahrer anhielt. A ließ sich in der Hauptverhandlung nicht zur Tat ein. Der als Zeuge vernommene Polizeibeamte (P) sagte aus, dass A in der ersten Befragung ihm gegenüber eingeräumt habe, der Fahrer gewesen zu sein. Vor dieser Befragung belehrte P den A nicht als Beschuldigten, da P lediglich um die Haltereigenschaft des A wusste und noch keinen Anfangsverdacht gegen A hegte. P habe A auch nicht gefragt, ob „er“, sondern nur „wer“ mit dem Fahrzeug gefahren sei. In der Hauptverhandlung widersprach der Verteidiger des A der Verwertung der Aussage des P.

Das AG verurteilte den Fahrzeughalter A wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 I 1 StGB zu einer Geldstrafe und mehrmonatigem Fahrverbot. Auf die Revision des A hob das OLG die Entscheidung des AG wegen der Verletzung des Beweisverwertungsverbotes als Rechtsfehler auf und verwies die Sache zurück.

Die Verwertung der Zeugenaussage des P verstieß gegen das Beweisverwertungsverbot gem. §§ 163a IV, 136 I StPO. Vor der ersten polizeilichen Vernehmung war A bereits Beschuldigter und hätte darüber belehrt werden müssen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird, welche Strafvorschriften in Betracht kommen, dass es ihm freistehe, sich zu den Beschuldigungen zu äußern oder nichts zur Sache auszusagen und dass er schon vor seiner Vernehmung einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen kann. Zwar ist es der pflichtgemäßen Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde überlassen, ob sie gegen jemanden einen solchen Grad des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung für gegeben hält, dass sie ihn als Beschuldigten verfolgt. Der konkret ermittelnde Polizeibeamte hat hierbei einen Beurteilungsspielraum. Liegen aber ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, darf ihn die Ermittlungsbehörde nicht aus sachfremden Erwägungen in die Rolle eines Zeugen drängen und die Beschuldigtenbelehrung hinauszögern. Bei einem zu befragenden Fahrzeughalter hat sich der Tatverdacht schon auf diesen verdichtet, selbst wenn noch andere Fahrer in Betracht kommen. Der Fahrzeughalter als möglicher Täter ist nicht mehr nur eine Person aus einer nicht näher bestimmten Personengruppe.

Der Verzicht auf die Belehrung war ermessensfehlerhaft. Der Schutzzweck der Belehrungspflicht, den Betroffenen vor einer irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht zu schützen, wird nicht gewahrt, wenn der Fahrzeughalter vor seiner Befragung nicht ordnungsgemäß als Beschuldigter belehrt wird. Eine Verletzung der Belehrungspflichten aus §§ 163a IV, 136 I StPO führt regelmäßig und auch vorliegend zu einem Beweisverwertungsverbot. Es fehlen insbesondere Anhaltspunkte dafür, dass A sein Schweigerecht auch ohne Belehrung ausreichend gekannt hat. Das Urteil des AG beruhte auf der Aussage des P zur Fahrereigenschaft des A, sodass die Revision zur Aufhebung und Rückverweisung führte.

beck-fachdienst Strafrecht – FD-StrR 2014, 354625

(Quelle: Beck online)