Der Kläger verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Zertifikats. Die Bank hat den Kläger als Bankkunden objekt- und anlegergerecht beraten, über ihr zufließende Rückvergütungen aus Vertriebsprovisionen hatte sie nicht aufgeklärt.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägers hatte keinen Erfolg.

II. Die gem. § ZPO § 511 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das LG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bekl. ihre Verpflichtung zur anleger- und objektgerechten Beratung verletzt hat, da diesbezügliche Schadensersatzansprüche gem. §§ WPHG § 37 a, WPHG § 43 WpHG verjährt sind und die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat.

Die Beklagte hat etwaige Aufklärungsfehler jedenfalls nicht vorsätzlich begangen. Zwar trifft nach der Rechtsprechung des BGH den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die den Verjährungseintritt gem. § WPHG § 37 a WpHG a. F. begründen. Hierzu gehört auch die Behauptung, bei der Beratung nicht vorsätzlich eine Pflichtverletzung begangen zu haben, da in diesem Fall die Verjährungsvorschrift des § WPHG § 37 a WpHG nicht greifen würde. Bei einfachen Aufklärungs- oder Beratungsfehlern kann bereits ohne Beweisaufnahme ein fehlender Vorsatz festgestellt werden, wenn keine Anhaltspunkte für einen Vorsatz vorliegen bzw. der Anspruchsteller Entsprechendes nicht substanziiert behauptet hat. Die der beratenden Bank obliegende Darlegungs- und Beweislast, sie habe nicht vorsätzlich gehandelt, betrifft eine so genannte negative Tatsache. Zudem handelt es sich beim Vorsatz um eine innere Tatsache bei der Person des Handelnden, die sich nur aus äußeren Umständen rückschließen lässt. Dass eine seriöse Geschäftsbank wie die Beklagte ihre Mitarbeiter anhält, die eigenen Kunden fehlerhaft zu beraten, oder dass der Berater einen solchen Vorsatz selbst hat, kann ohne entgegenstehende Indizien regelmäßig ausgeschlossen werden. Eine Bank will im Regelfall eine Dienstleistung an ihren Kunden erbringen und mit diesem die Geschäftsbeziehung dauerhaft fortsetzen. Insofern kann unterstellt werden, dass sie selbst Interesse an einer fehlerfreien und qualitativ hochwertigen Beratung hat. Die Abwesenheit von Indizien für einen Vorsatz lässt daher bei einfachen Aufklärungs- oder Beratungsfehlern ohne weitere Beweisaufnahme den Schluss zu, der Bankberater habe nicht vorsätzlich gehandelt. Etwas anderes gilt dann, wenn kein einfacher Aufklärungs- oder Beratungsfehler vorliegt, weil beispielsweise sich die beratende Bank über Gesetzesvorschriften oder Richtlinien hinweggesetzt hat, das Produkt abweichend zu wesentlichen Angaben im Kurzprospekt oder der Produktinformation dargestellt hat oder sonstige offensichtliche Fehler begangen hat.

Der Kläger rügt nur einfache Fehler. Die von dem Kläger beanstandeten Informationen hinsichtlich der Sicherheit der Anlage lassen keinen Vorsatz erkennen, zumal dem Kläger zusätzlich die Produktinformation übergeben wurde und er nach eigenen Angaben mit Kursschwankungen in einem bestimmten Bereich einverstanden war. Ein grober Beratungsfehler, dessen Begehung schwer erklärbar ist und daher einen Anhaltspunkt für ein vorsätzliches Verhalten darstellt, liegt nicht vor. Dies gilt auch für die Erklärung der Mitarbeiterin der Beklagten, mit einem Kursverlust der Aktie der Deutschen-Bank um mehr als 25 % habe sie seinerzeit nicht gerechnet, obwohl in der Produktinformation der dargestellte Kursverlauf auch stärkere Kurseinbrüche aufwies. Insofern handelte es sich ersichtlich um eine persönliche Prognose, deren zweifelhafte Grundlage der Kläger anhand der Produktinformation sofort selbst hätte erkennen können. Der Kl. wurde in der Produktinformation darauf hingewiesen, dass ein Kapitalverlust bei einem Unterschreiten des Sicherheitspuffers auftreten kann. Dass dieses Risiko bestand, war also dem Kläger bewusst. Unter diesen Umständen kann ein Vorsatz der Beklagten, den Kläger über das Kursverlustrisiko zu täuschen, ausgeschlossen werden.

2. Die Beklagte hat keine Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Erhalt etwaiger Rückvergütungen bzw. Einkaufsvergünstigungen verletzt.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Bank, die eigene Anlageprodukte empfiehlt, grundsätzlich nicht verpflichtet, ihren Kunden darüber aufzuklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erzielt. Gleiches gilt, wenn die Bank fremde Anlageprodukte im Wege des Eigengeschäfts (§ WPHG § 2 WPHG § 2 Absatz III 2 WpHG) zu einem über dem Einkaufspreis liegenden Preis veräußert. Ein Umstand, der – wie die Gewinnerzielungsabsicht des Verkäufers – für den Kunden im Rahmen des Kaufvertrags offensichtlich ist, lässt innerhalb des Beratungsvertrags seine Schutzwürdigkeit entfallen.

Gleichfalls entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des BGH, dass eine Bank aus einem Anlageberatungsvertrag verpflichtet ist, über von ihr vereinnahmte Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieses Produkts nicht erkennen.

Somit hängt die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen davon ab, ob die Bank mit dem Kunden einen Kaufvertrag oder – wie im Regelfall – ein Kommissionsgeschäft abgeschlossen hat. Maßgeblich ist allein die Rechtsnatur des objektiv vorliegenden Effektengeschäfts. Zwar bestand nach der damals gültigen Wohlverhaltensrichtlinie des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel vom 23. 8. 2001 eine Pflicht zum Hinweis, wenn die Bank mit dem Kunden ein Eigengeschäft abschließt. Ein Verstoß gegen diese – aufsichtsrechtliche – Pflicht begründet jedoch keine eigenständigen Schadensersatzansprüche.

b) Die Rechtsnatur des objektiv vorliegenden Effektengeschäfts lässt sich nur anhand der bei Abschluss des Geschäfts zu Tage getretenen Umstände ermitteln. Die Parteien müssen bei Vertragsschluss durch Angebot und Annahme eine Einigung über die wesentlichen Vertragsbestimmungen treffen. Hierzu gehört auch eine Einigung über die Rechtsnatur des Vertrags. So darf es nicht einer Vertragspartei überlassen bleiben, nachträglich zu entscheiden, ob ein Kaufvertrag oder ein Kommissionsgeschäft vorliegen soll. Die wechselseitigen Pflichten der beiden Vertragstypen unterscheiden sich so erheblich, dass hierüber bereits bei Vertragsschluss eine Einigung getroffen werden muss. Es muss feststehen, ob die Bank als Verkäuferin eine Beschaffungspflicht hat, oder ob sie als Kommissionärin sich lediglich um die Ausführung des Geschäfts bemühen muss und keinen Sekundäransprüchen ausgesetzt ist, wenn sie das gewünschte Wertpapier nicht beschaffen kann. Auch muss bei Vertragsschluss feststehen, ob der Kunde als Kommittent noch ein Weisungs- und Kündigungsrecht hat und ihm gem. § HGB § 387 HGB ein vorteilhafterer Abschluss zustattenkommt, oder ob er ohne Kündigungsmöglichkeit an einen Kaufvertrag gebunden ist .

c) Indizien für die Abgrenzung sind insbesondere die Unterlagen und Informationen, die der Kunde vor Abschluss des Vertrags im Zusammenhang mit der Beratung erhalten hat. Wird der Kunde beispielsweise mit einem Zeichnungsprospekt des Emittenten beraten, der einen festgesetzten Emissionspreis enthält, liegt es auf der Hand, dass der Kunde einen Kommissionsauftrag erteilen will. Denn es ist regelmäßig für den Kunden nicht erkennbar, dass die Bank das mit einem fremden Prospekt beworbene und bepreiste Produkt selbst zu einem eigenen – identischen – Preis anbieten will. Ein weiteres Indiz für ein Kommissionsgeschäft sind zusätzlich ausgewiesene Ausgabeaufschläge, Provisionen, Courtage oder Spesen. Da der Kommissionsvertrag der Regelfall ist, ist im Zweifel von seinem Vorliegen auszugehen. Es obliegt daher der Bank, dem Kunden im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu verdeutlichen, dass sie entgegen den objektiven Indizien, die für ein Kommissionsgeschäft sprechen, einen Kaufvertrag mit einem von ihr bestimmten – und eventuell verhandelbaren – Kaufpreis schließen will und ihm ein entsprechendes Angebot unterbreitet. Andernfalls kann sie die Willenserklärung des Kunden auf Abschluss des Vertrags nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts und der Verkehrssitte (§§ BGB § 133, BGB § 157 BGB) nicht so verstehen, dass dieser ihr Verhalten als Kaufangebot und nicht als Angebot eines Kommissionsgeschäfts aufgefasst hat und einen Kaufvertrag schließen will.

d) Hingegen kann allein aus der Tatsache, dass das zu beschaffende Produkt nur zu einem Festpreis angeboten wird, nicht auf das Vorliegen eines Eigengeschäfts geschlossen werden, da auch ein Kommissionsgeschäft zu einem Festpreis ausgeführt werden kann. Merkmal des Kommissionsgeschäfts ist lediglich das Drei-Personen-Verhältnis. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Ausführungspreis noch unbestimmt ist. So sieht § HGB § 386 HGB vor, dass der Kommittent dem Kommissionär eine Preisgrenze vorgeben kann. Dies schließt aber nicht aus, dass das Kommissionsgeschäft sich auf die Beschaffung eines Finanzinstruments zu einem feststehenden Preis beschränkt. Insbesondere besteht dann ein Interesse an dem Abschluss eines Kommissionsvertrags, wenn nicht feststeht, ob das Finanzinstrument überhaupt beschafft werden kann. Ist beispielsweise das angebotene Zertifikat überzeichnet und kann von der Bank nicht mehr zum Emissionspreis beschafft werden, bestünde gegenüber dem Kunden eine schadensersatzbewehrte kaufvertragliche Beschaffungspflicht, wenn die Bank nicht lediglich eine kommissionsrechtliche Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsbesorgung gem. § HGB § 384 HGB § 384 Absatz I HGB vereinbart hat. Entscheidend ist, ob die Bank, für den Kunden erkennbar, den Festpreis als eigenen Verkaufspreis vereinbart, oder ob sie lediglich einen Auftrag zur Beschaffung des Finanzinstruments zu dem von der Emittentin festgesetzten Emissionspreis im Rahmen einer sorgfältigen Geschäftsführung entgegengenommen hat. Die Begriffe Festpreisgeschäft und Eigengeschäft sind nicht deckungsgleich.

Die nach Vertragsschluss erstellte Wertpapierabrechnung, die einen Hinweis auf ein „Festpreisgeschäft“ oder „Kaufvertrag“ enthält, ist allein zum Nachweis eines Eigengeschäfts noch nicht ausreichend. Sie stellt allenfalls ein Indiz dar, wie die Bank das Geschäft verstanden hat. Sie kann aber die bei Abschluss des Vertrags zu Tage getretenen Umstände, wie die Verwendung eines auf ein Kommissionsgeschäft hindeutenden Zeichnungsprospekts, nicht beseitigen.

e) Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien ein Kaufvertrag und kein Kommissionsgeschäft zu Stande gekommen. Zwar wurde auch hier eine Produktinformation der Emittentin verwendet, die durch die Festlegung des Emissionspreises von 100 Euro je Zertifikat und den zusätzlichen Ausgabeaufschlag von 2,5 % das Angebot der Bekl. auf Abschluss eines Kommissionsgeschäfts indiziert. Auf den Hinweis des Senats hat die Bekl. jedoch den – unstreitigen – Kaufvertrag vom 19. 10. 2006 vorgelegt. Das von dem Kl. unterzeichnete Formular ist bereits überschrieben mit „Kauf von Wertpapieren“. Weiter heißt es im Fettdruck:

„Kunde (Käufer) und Bank (Verkäufer) schließen folgenden Vertrag über den Kauf von Wertpapieren“

In dem Vertrag hat die Beklagte den Preis von 102,50 Euro pro Stück eingetragen, ohne dass Ausgabeaufschläge, Provisionen, Courtage oder Spesen gesondert ausgewiesen wären. Der in der Produktinformation ausgewiesene Ausgabeaufschlag von 2,5 % wurde in den Kaufpreis einberechnet.

Somit lag für den Kläger erkennbar ein Kaufvertragsangebot der Beklagten vor. Durch die Annahme ist objektiv ein Eigengeschäft der Beklagten zu Stande gekommen, bei dem sie nicht über ihre Gewinnmarge oder ihren Vorteil auf Grund der Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis aufklären musste.

OLG Stuttgart, Urt. v. 10. 10. 2012 – 9 U 87/12

(Quelle: Beck online)