Eine Leistungsreduzierung auf Null ist nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm bei grober Fahrlässigkeit zulässig, wenn der Versicherungsnehmer die Heizung in einem leer stehenden Gebäude über einen längeren Zeitraum im Winter vollständig stilllegt und die Wasserleitung weder absperrt noch entleert, und es infolgedessen zu Frostaufbrüchen und Wasserschäden kommt.

Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger ein Anspruch auf bedingungsgemäße Leistungen aufgrund eines am 02.01.2009 entdeckten Leitungswasserschadens zusteht. Bei der Beklagten bestand für ein Wohngebäude eine verbundene Wohngebäudeversicherung unter Geltung der VGB 88. In § 11 Nr. 1 VGB 88 sind die Obliegenheiten der Versicherungsnehmers in Bezug auf wasserführende Anlagen und Einrichtungen in nicht genutzten Gebäude- oder Gebäudeteilen sowie in der kalten Jahreszeit geregelt. Gemäß § 11 Nr. 2 VGB 88 ist der Versicherer bei Verletzung dieser Obliegenheiten leistungsfrei.

Im März 2008 kaufte der Kläger das Grundstück und begann mit Renovierungsarbeiten in dem bereits seit März 2006 leer stehenden Wohnhaus. Im Winter 2008/2009 stellte er die Arbeiten ein und legte die Heizung still. Die wasserführenden Leitungen im Haus entleerte er nicht. In einem der Kellerräume befand sich eine zusätzliche Kaltwasserleitung, die der Kläger für die von ihm auf demselben Grundstück betriebene Waschanlage benötigte und schon deshalb nicht abstellte. Am 02.01.2009 oder kurze Zeit davor kam es aufgrund von Temperaturen von bis zu -10°C zu Frostaufbrüchen an der zur Wasserleitung für die Waschanlage gehörenden Wasseruhr sowie im Bereich des Heizkessels und an mehreren Heizkörpern.

Der Kläger hat in erster Instanz behauptet, montags bis samstags denjenigen Keller, in dem die Wasseruhr montiert sei, durch einen Gasofen beheizt zu haben. Am Sonntag sei dies stets durch eine Elektroheizung geschehen. Morgens und abends sei der Keller durch den Zeugen B, mittags durch ihn selbst kontrolliert worden. Er hat ferner behauptet, ihm sei – entsprechend der gutachterlichen Stellungnahme des Zeugen B – durch die Frosteinwirkung ein Schaden in Höhe von insgesamt 37.750 EUR entstanden.

Nach Ansicht des OLG Hamm steht dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte zu, weil er den Versicherungsfall selbst grob fahrlässig herbeigeführt hat und sein Verschulden so schwer wiegt, dass ihm gemäß § 81 Abs. 2 VVG jeglicher Anspruch gegen die Beklagte zu versagen ist. Auf die Sanktionsregelung des § 11 Nr. 2 Satz 1 bis Satz 3 VGB 88 könne sich die Beklagte allerdings nicht berufen, da diese Vorschriften unter der Geltung des neu verfassten VVG unwirksam seien, weil die Beklagte ihre Bedingungen unstreitig nicht an die halbzwingende Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG angepasst hat.

Der Senat geht davon aus, dass der Kläger vor dem 02.01.2009 weder die Wasserleitungen abgesperrt oder entleert noch für eine Beheizung des betreffenden Kellers zur Vermeidung von Frostschäden an der Leitung für die von ihm betriebene Waschanlage gesorgt hatte. Das Landgericht habe mit überzeugender Beweiswürdigung insbesondere festgestellt, dass der Kläger in dem Keller weder eine Gasheizung noch einen Elektroofen aufgestellt hatte.

Nach Überzeugung des OLG Hamm liegt hier zudem ein besonderer Ausnahmefall vor, in dem eine Kürzung der Leistung auf Null gemäß § 81 Abs. 2 VVG zulässig ist. In objektiver Hinsicht habe der Kläger über einen längeren Zeitraum und trotz winterlicher Temperaturen keinerlei Sicherungsmaßnahmen gegenüber dem Einfrieren der Leitungen ergriffen. Er habe in dem schon seit längerer Zeit leer stehenden Haus die Leitungen weder entleert noch abgesperrt. Darüber hinaus habe er auch in dem Kellerraum, in dem sich die Wasserleitung für die von ihm betriebene Waschanlage befindet, weder für eine gewisse Heizung zur Gewährleistung von Frostfreiheit gesorgt noch irgendwelche Isolierungsmaßnahmen vorgenommen. Unter diesen Umständen sei ein Leitungswasserschaden aufgrund winterlicher Temperaturen nicht nur möglich, sondern in hohem Maße wahrscheinlich gewesen.

Der Grad grober Fahrlässigkeit wird daher vom OLG Hamm als außergewöhnlich hoch und einem Vorsatz praktisch gleichstehend bewertet. Auch in subjektiver Hinsicht stellt das OLG Hamm keinerlei Gesichtspunkte fest, die den Sorgfaltsverstoß des Klägers in einem milderen Licht erscheinen lassen können. Ihm sei bewusst gewesen, was zur Abwehr von Frostschäden notwendig war, und gleichwohl habe er keinerlei Sicherungsmaßnahmen ergriffen. Das rechtfertige insgesamt eine vollständige Kürzung seines Anspruchs gemäß § 81 Abs. 2 VVG.

OLG Hamm, Urteil vom 27.04.2012 – I-20 U 144/11

(Quelle: beck-fachdienst Versicherungsrecht – FD-VersR 2012, 336648)